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Eingewöhnung

Eingewöhnung nicht gerade ein Wort, das Eltern gerne hören. Verbunden wird es schnell mit traurigen Kindern und Tränen. Auch bei den Grossen!

Wenn Kinder in die Betreuung sollen, werden sie mit vielen neuen Situationen konfrontiert. Es gibt neue Bezugspersonen, neue Räumlichkeiten und viele unbekannte Kinder. Klar, dass sich die Kleinen gerade am Anfang schwer tun, sich an die fremde Situation zu gewöhnen. Aber auch das Alter spielt eine entscheidende Rolle: Babys sind zwischen zwei Wochen und 5 Monaten am unkompliziertesten. Kinder ab 6 Monaten und drei Jahren sind da etwas schwieriger. Sie fremdeln schon und sind an die Mutter und den Vater gewöhnt.

Wie läuft die Eingewöhnung bei der Tagesmutter ab?

Unsere Eingewöhnung verläuft nach der Idee des Berliner Modells: Hier wird Schritt für Schritt versucht, das Kind an die neue Situation und vor allem zunächst an eine neue Bezugsperson zu gewöhnen. Der erste Kontakt zwischen Tagesmutter und Eltern ist dabei das Eingewöhnungsgespräch am ersten Tag. Hier steht das Kind mit seinen Bedürfnissen im Vordergrund: Wir versuchen, so viel wie möglich über das Kind und seine Interessen, Vorlieben und Gewohnheiten zu erfahren. Dabei ist es für die Eingewöhnung um so besser, je mehr wir von dem Kind wissen. Gibt es Schlafprobleme? Hat es Geschwister? Wenn während der Eingewöhnungsphase Probleme entstehen, kann man diese am besten lösen, wenn man das Kind gut kennt und versteht.

Wie geht es nach dem Eingewöhnungsgespräch weiter?

In den ersten drei bis vier Tagen kommt ein Elternteil mit dem Kind in die Einrichtung. Beide bleiben für circa eine halbe bis ganze Stunde dort. Ganz wichtig ist, dass in dieser Zeit kein Trennungsversuch stattfindet. Die Kinder sollen sich langsam an die neue Umgebung gewöhnen. Die Anwesenheit des Elternteils gibt ihnen dabei Vertrauen. Die Eltern sollten sich dabei möglichst unauffällig verhalten und ihrem Kind die Möglichkeit geben, die neue Situation auf eigene Faust zu erkunden. Kommt das Kind zur Mama, ist es aber wichtig, dass diese signalisiert: Ich bin für dich da. In unserer Gruppe gibt es für die Kinder eine gezielte Bezugsperson, die sich während der Eingewöhnungsphase intensiv mit den jeweiligen Schützlingen beschäftigt. Geht das Kind von selbst auf diese Bezugsperson zu, nimmt diese den Kontaktversuch an und bietet dem Kind eine Spielmöglichkeit. Die Erzieherin beobachtet die Interaktion zwischen Eltern und Kind, geht aber nicht aktiv auf das Kind zu. Es ist wichtig, die Reaktion von Mutter und Kind abzuwarten: Wir wollen den Eltern auf gar keinen Fall das Gefühl geben, dass wir ihnen ihr Kind wegnehmen, sondern warten, bis die Eltern ihr Kind an uns übergeben.

Wann kommt es zum ersten Abschied?

Am vierten oder fünften Tag versuchen wir, die Kinder das erste Mal von ihrem Elternteil zu trennen. Ganz wichtig dabei ist, dass sich die Eltern direkt bei ihrem Kind verabschieden - auch wenn die ersten Trennungen meistens nur ein paar Minuten dauern. Viele würden sich gerne in einem unbemerkten Moment davon schleichen - und damit selbst den Abschied umgehen. Aber für das Kind ist es wichtig zu sagen: "Ich gehe jetzt und hole dich später ab!". Ausserdem sollten die Eltern mit ihrem Kind die Tagesmutter direkt verlassen, wenn sie es nach der Trennung wiedersehen. Somit versteht das Kind, dass das Erscheinen des Elternteils bedeutet, dass es jetzt abgeholt und nach Hause gebracht wird. Klappt das gut, wird der Trennungszeitraum immer etwas verlängert. Die Reaktion des Kindes ist dabei massgebend für den weiteren Verlauf der Eingewöhnung: Wenn das Kind so viel Vertrauen zu der Tagesmutter gefasst hat, dass es sich von ihr trösten lässt, kann man die Trennungszeit weiter ausdehnen. Dann kann Mama oder Papa auch mal für 30 Minuten weg bleiben, einen kurzen Spaziergang in der Umgebung machen. Die Betreuungszeit wird, wenn es gut klappt, immer weiter verlängert: Am Ende - meist nach etwa zwei Wochen - bis zur tatsächlich gebuchten Betreuungszeit., dennoch sollte ein Elternteil jederzeit telefonisch erreichbar sein, falls die Beziehung zur Erzieherin doch noch nicht ausreicht um das Kind zu beruhigen.

Wie lange dauert die Eingewöhnung normalerweise?

Eltern sollten sich auf jeden Fall zwei bis vier Wochen Zeit nehmen, um ihr Kind während der Eingewöhnung zu begleiten. Dabei ist es wichtig, dass sie für ihr Kind in dieser Zeit auch wirklich zur Verfügung stehen und im Zweifelsfall auch zur Tagesmutter zurück kommen können. Bei 80 Prozent der Kinder dauert die Eingewöhnung circa 14 Tage. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese dann komplett abgeschlossen ist.

Wie schafft man es am besten, dass keine Tränen fliessen?

Wir legen es gar nicht darauf an, dass die Kinder nicht weinen. Viele sind noch klein und können sich nicht anders ausdrücken. Wenn der Elternteil geht, reagieren viele Kinder mit Tränen, weil das für sie ungewohnt ist. Weinen bedeutet nichts anderes als "Ich mag das nicht!". Vielen Eltern blutet das Herz, wenn ihre Kinder anfangen zu weinen - verständlich, denn sie vertrauen uns das Wertvollste an, was sie besitzen. Doch Tränen bedeuten nicht, dass eine Eingewöhnung nicht erfolgreich war. Wenn ein Kind gegen den Abschied vom Elternteil protestiert - egal ob mit Tränen oder ohne - ist das vollkommen okay, denn es zeigt Bindungsverhalten. Das Vertrauen zur Tagesmutter sollte jedoch so gross sein, dass sich das Kind von ihr danach trösten lässt und das Spielangebot in der Gruppe annehmen kann

Gibt es ein Alter, indem die Kleinen sich am besten eingewöhnen?

Die meisten Kinder kommen im Alter zwischen neun Monaten und zwanzig Monaten zur Tagesmutter. Das ist genau das Alter, in dem Kleinkinder ein Bindungsgefühl entwickeln. Jetzt fangen sie an, auf Trennungen von Bezugspersonen emotional zu reagieren. Dementsprechend ist natürlich die Eingewöhnung von Babys unproblematischer, weil sie noch keine Trennungsangst haben. Hier fällt es aber oft den Müttern schwerer, ihre Kinder erstmals in fremde Hände abzugeben. Viele sind am Ende aber erstaunt, wie leicht sich ihr Baby an die neue Situation gewöhnt. Das kann manchmal so weit gehen, dass es eine gewisse Frustration der Mütter über die so emotionslose Übergabe in die Tagesmutter gibt. Bei Kindern, die sehr früh eingewöhnt werden, kommt es im Ausgleich dazu manchmal Monate später zu einer verzögerten Fremdelphase. Die Kinder reagieren dann wie ganz neu eingewöhnte Kinder, obwohl sie schon seit Monaten bei uns sind: Erst jetzt haben sie realisiert, dass die Eltern nicht bei der Tagesmutter bleiben. Diese Phase ist jedoch erfahrungsgemäss schnell wieder vorbei. Gewöhnen wir dagegen ältere Kinder ab zwei Jahren bei der Tagesmutter ein, sieht die Sache wiederum ganz anders aus. In diesem Alter haben die Kleinen gerade einen grossen geistigen Entwicklungssprung gemacht: Sie können nun zwischen "Ich" und "Du" unterscheiden und Folgereaktionen von Handlungen abschätzen und einkalkulieren. Sie wissen also: Wenn ich ganz doll weine, kommt die Mama zurück! Sie versuchen also, die Interaktion mitzusteuern und weinen bewusst, manchmal theatralisch, weil sie möchten, dass die Eltern wieder kommen. In diesem Alter ist es besonders wichtig, das Trennungsverhalten des Kindes gut zu beobachten und einzuschätzen, in welcher Entwicklungsphase das Kind tatsächlich ist. Hier kann es für eine gelungene Eingewöhnung nämlich manchmal auch wichtig sein, den Kindern zu zeigen, dass Tränen die Eltern nicht zurückholen. Die richtige Einschätzung des Kindes in dieser Altersgruppe ist nicht immer ganz einfach und braucht Erfahrung.

Was ist, wenn Babys noch gestillt werden?

Das ist kein Problem! Wir haben einige Mütter, die bei Unternehmen in der unmittelbaren Umgebung arbeiten. Die kommen dann zum Stillen einfach vor bei kommen. Aber auch Mütter, die Milch abpumpen, unterstützen wir. Grundsätzlich dürfen die Eltern bei den Kindern selbst entscheiden, was die Kinder essen sollen. Aufgrund von möglichen Allergien bevorzugen Eltern unterschiedliche
Lebensmittel. Wer seine eigenen Gläschen mitbringen möchte, kann das natürlich gerne tun.

Wie glückt eine Eingewöhnung am besten?

Die Gefühlslage der Eltern während der Eingewöhnung ist sehr ausschlaggebend. Denn diese überträgt sich automatisch und auch unbewusst auf das Kind. Sind die Eltern unsicher oder mit etwas nicht zufrieden, fühlen sich die Kinder auch nicht wohl. Deswegen ist es sehr wichtig, dass die Eltern genau wissen, wie die Eingewöhnung abläuft, was wir planen und was ihre Aufgabe ist. Dringend nötig ist auch, dass sich die Eltern die vier Wochen komplett frei halten (nicht frei nehmen) und sich auf die Eingewöhnung konzentrieren können. Wenn die Eltern gestresst sind, merken das die Kinder sofort. Zudem sollten Eltern ihren Kindern in dieser Zeit keine weiteren Veränderungen wie einen Umzug zumuten. Auch ist es nicht wirklich förderlich, wenn das Kind vier Wochen zu uns kommt, die Familie dann aber für zwei Wochen in den Urlaub fährt. Ausserdem sollte die Kinder konstant von einer Bezugsperson begleitet werden. Wenn mal der Papa, mal die Mama oder auch die Oma zur Eingewöhnung kommen, ist es für das Kind jedes Mal wieder eine neue und ungewohnte Situation.

Welchen Kindern fällt die Eingewöhnung besonders leicht?

Das sind vor allem Kinder von Eltern, die ganz ruhig und optimistisch die Eingewöhnung angehen. Aber auch Kinder, die vor der Betreuung öfters von den Grosseltern oder dem Babysitter betreut wurden, nehmen die neue Situation besser auf. Oder anders gesagt: Die Eltern kennen die Trennungssituation schon und sind dementsprechend gelassener. Auch Kinder, die grosse Geschwister haben, gewöhnen sich mitunter schneller an die Tagesmutter. Sie haben die grossen Geschwister dort schon einmal abgeholt, sehen, dass sich Bruder oder Schwester dort wohl fühlt, und auch die Eltern wissen, dass ihre Kinder bei der Tagesmutter gut aufgehoben sind.